Das Licht am zweiten Morgen

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Erzählungen von Frank Schmitter

Warum ist mein Leben anders, als ich bin, und wer bin ich eigentlich? Mit dieser etwas paradoxalen Frage ließe sich wohl ganz gut benennen, was die Menschen in Frank Schmitters Erzählband „Das Licht am zweiten Morgen“ verbindet.

Der 1957 in Krefeld geborene, seit langem in München lebende Autor und Diplom-Bibliothekar versammelt darin fünf Erzählungen. Allesamt spielen sie in einem gutbürgerlichen Milieu, in dem sich das individuelle Unglück so lange hinter geregelt funktionierenden Tagesabläufen und entweder fehlender oder gesitteter Kommunikation verbirgt, bis es sich so weiter angereichert Bahn bricht.

Die drei kürzeren Erzählungen zu Beginn könnten dem Verhalten gerade der jüngeren Protagonisten nach gut im Ausgang der 1980er Jahre angesiedelt sein, in den anschließenden zwei langen Erzählungen von gut siebzig bzw. rund hundertzehn Seiten verweisen Corona-Pandemie und Instagram-Gebrauch auf die Jetztzeit.

Den Auftakt setzt die dem Buch den Titel gebende Geschichte eines Münchner Controllers, der statt wie gewohnt am Wochenende zu seiner Frau nach Frankfurt zu fahren, in einer Art Notreflex auf die Autobahn gen Italien auffährt. In einer ritualisierten Fernehe eingefroren, in der keiner beim anderen Spuren zu hinterlassen versucht, entfremdet von seiner Familie und in seiner Arbeit, treibt ihn die Frage, ob er sein Leben verfehlt hat, schließlich in einen so hilflos banalen wie verzweifelten Miniausbruch.

Die Hauptfigur in der Erzählung „Heimkehr“ ist ihm darin verwandt, auch wenn sein Schicksal anders geartet ist: Erzogen, wenn nicht eher zugerichtet wurde er in einer von Leistungspflicht und Disziplin durchgetakteten Familie, über die ein Unternehmer-Patriarch herrscht. Dass er, der jüngste Sohn, es dennoch wagte, als Violinist ein Musikstudium aufzunehmen, war der eine große Fehler. Dass nun nach all den teuren Konservatorien und Sommerkursen plötzlich die Sehnen seiner Hand die erwartete glänzende Karriere zerstören, bedeutet für den Vater ein zweites Versagen.

Etwas optimistischer enden die langen Erzählungen „Nachbarschaft“ und „Italienurlaub oder Wie Hubert Mayer beinahe sein Geld, seine Familie und seinen Verstand verlor“. Oder sagen wir: zumindest für die meisten der handelnden Personen.

Erzählt wird im Wesentlichen aus der Perspektive von Männern, für die eine Frage charakteristisch ist, die auf der Rückseite des Buches zitiert wird: „Warum sind Männer nur solche Feiglinge, wenn es um ihre Gefühle geht?“ Bis zu welchem Grad die Antwort, die Hubert Mayer darauf gibt („Weil wir zu viele davon haben“), letztlich eher dem Wunsch geschuldet ist, ganz andere Probleme hinter solch heldischer Selbststilisierung zu verbergen, sollten die Leser:innen für jede der auftretenden Personen besser individuell beantworten.

(TH)

Frank Schmitter: Das Licht am zweiten Morgen. Erzählungen. edition offenes feld, Dortmund 2023. 236 Seiten.

Live hören können Sie übrigens Ausschnitte aus diesem Band bei einer Lesung von Frank Schmitter auf unserem Lesefest im Garten am 4. August 2024.

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