Roman von Evan Tepest
Der Essayband „Power Bottom“ (März Verlag) über sexuelles Begehren und Identitäten brachte dem 1989 in Emmerich geborenen Berliner Journalisten und Autor Evan Tepest größere Beachtung im literarischen Betrieb und (nicht nur) in der Queer-Szene ein. Mit „Schreib den Namen deiner Mutter“ veröffentlichte er jetzt seinen ersten Roman.
Hauptfigur ist die queere Autorin Alex, die anlässlich der Bestattung ihres Großvaters in ihre niederrheinische Heimat zurückkehrt. Im Gepäck einen finanziell dringend benötigten Schreibauftrag für einen Essay über das Verhältnis zwischen Künstlerinnen und ihren Müttern. Drei Wochen lang bleibt sie in der Kleinstadt an der deutsch-niederländischen Grenze und taucht dabei nicht nur in die traumatische Geschichte ihrer Familie ein, sondern ist auch massiv mit der Frage nach einem gelingenden queeren Lebensentwurf und ihrer Geschlechtsidentität beschäftigt.
Sie trifft ihren ehemaligen Deutschlehrer Wolfgang, der schon seit den achtziger Jahren in der Provinz offen homosexuell lebt und sich trotz oder wegen aller harten Erfahrungen offenbar in eine recht glückliche private Existenz zurückgezogen hat. Für Alex einst ein Türöffner in ein anderes Leben, nun im Generationen-Gap und aus aktivistischer Perspektive kritisch betrachtet. In der Begegnung mit zwei ehemaligen Schulfreund:innen hingegen muss Alex für sich jeweils ihr Verhältnis von Begehren, Liebe und Freundschaft aufschlüsseln – was nicht zuletzt zum Ende ihrer Unsicherheit über ihr wahres Geschlecht und einer Anerkennung ihrer non-binären Existenz führt. Besonders intensiv sind zudem die Konfrontation mit der Antidepressiva einnehmenden, verhärteten Mutter, der nicht minder psychisch belasteten Großmutter sowie die Erinnerungen an vage umkreiste Gewalttätigkeiten der Mutter gegenüber Alex‘ Halbbruder.
Das alles ist eine riesige Menge Stoff für nur 190 Seiten. Erzählt wird sie zum einen in einem chronologischen Strang und zum anderen mittels der darin eingewobenen verschiedenen essayistischen Versuche, in denen sich Alex um eine Annäherung an die Figur der Mutter bemüht.
In einem Interview auf der Leipziger Buchmesse hat Evan Tepest jüngst beschrieben, dass es seit den 2000ern auch jenseits der urbanen Räume meist nicht mehr besonders schwierig sei, sich als queer zu outen, eine Anerkennung als Trans-Person jedoch eine viel problematischere Dimension habe. Vielleicht wird er sich dieser Erfahrung, aber auch einigem von dem, was in „Schreib den Namen deiner Mutter“ nur angerissen werden konnte, ja noch in künftigen Romanen intensiver widmen. Wir warten gespannt.
(TH)
Evan Tepest: Schreib den Namen deiner Mutter. Roman. 190 Seiten, Piper Verlag München 2024.
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