Neue Lyrik von Frank Lingnau
Der 1960 in Krefeld geborene Lyriker Frank Lingnau war bis zu seinem Umzug nach Münster 1992 wichtiger Akteur in der hiesigen Literaturszene. Als Mitglied der Literaturwerkstatt von Klaus Ulrich Düsselberg war er auf vielen Lesungen zu hören, veröffentlichte regelmäßig in der Zeitschrift „Literatur in Krefeld/Literatur am Niederrhein“ und brachte im Sassafras-Verlag seinen Debütband heraus.
Seine Gedichte trugen ihm den Förderpreis des Landes NRW und eine Einladung zum Lyrik-Wettbewerb für den Leonce-und-Lena-Preis ein. Außerdem war er Mitglied der hierorts legendären Musik-Literatur-Band „Woyzecks in Casablanca“. Nun hat der hauptberuflich als Fachleiter für Deutsch in der Lehrerausbildung und als Redakteur der renommierten Literaturzeitschrift „Am Erker" tätige Autor wieder einen Gedichtband vorgelegt.
„In der Hand die klebrigen Münzen“ enthält 67 Gedichte in fünf Abteilungen. Unter dem Titel „Die alten Geschichten“ sind Gedichte mit meist gesellschaftspolitischen und historischen Themen versammelt, darunter eine Reihe von frühen Texten Lingnaus. Auch das Gedicht „Schwarze Oliven“, eine Hommage an den in der türkischen Diktatur inhaftierten Dichter Nâzim Hikmet, für die er den Postpoetry-Preis NRW 2023 erhielt, ist hier zu finden. Oft sind es Details, Momentaufnahmen, konkrete Lebenssituationen, hinter denen sich schwerste Verbrechen von menschheitsgeschichtlichem Ausmaß oder auch persönlicher Zerstörung auftürmen. Und nicht zuletzt das Sterben und die Frage, was bleibt nach dem Tod, wird poetisch gestellt.
Nach diesem massiven Auftakt wird es sehr viel heller und leichter. Der nach einer Kleingartenanlage benannte Zyklus „Hoppengarten“ umfasst zwölf Texte, die in der Tradition der Rätselgedichte liebevoll von der Tierwelt im Schrebergarten erzählen. Der zehnteilige Zyklus „Schnee“ zeichnet, teils im Rückgriff auf Kunstwerke von Bruegel, Marc und Richter, teils in Bezug auf historische Persönlichkeiten von Thomas Mann bis zum „Schneekristall-Fotografen“ Wilson Bentley, ein vielfältiges und sinnlich erfahrbares Bild von Natur und Mensch in einer im Frost geweißten Welt. Die letzten beiden Abschnitte „Leichtes Gepäck“ und „Mann im Mond“ schließlich enthalten lyrische Reisenotate und Kindheits- bzw. Jugenderinnerungen.
(TH)
Frank Lingnau: In der Hand die klebrigen Münzen. Gedichte. Elsinor Verlag 2023.