Roman von Bernadette Schoog
Marie erhält einen Anruf, vor dem sich viele Menschen mit alternden Eltern fürchten: Ihre Mutter Elisabeth liegt im Sterben. Mit widersprüchlichen Gefühlen macht sie sich auf den Weg nach Josefsburg, einem Wallfahrtsort am Niederrhein, der unschwer als ein fiktionalisiertes Kevelaer zu erkennen ist – Herkunftsort der Moderation und Autorin Bernadette Schoog.
Das Verhältnis von Mutter und Tochter war schon immer distanziert und wurde noch komplizierter nach dem überraschenden Tod des Vaters während Maries Kindheit. Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, selbstständig zu sein, und der Angst, auch noch die Mutter zu verlieren, entschied sich Marie schließlich für ersteres und zog in den Südwesten der Republik.
Ihr Besuch im Pflegeheim ist der erste seit langem und wird zu einer Rückschau, die nicht nur Szenen aus Maries bisherigem Leben, sondern auch wichtige Stationen in dem ihrer Mutter umfasst. In unaufgeregter Sprache schildert Schoog die Strenge und Bigotterie des katholisch geprägten Josefsburg, dem die beiden Frauen auch jenseits des Niederrheins nur bedingt entkommen können.
Erinnerung um Erinnerung zeigt die Autorin, wie das Verwechseln von Begehren und Liebe, das Zurückstecken der eigenen Bedürfnisse und ein Mangel an ehrlicher Kommunikation die beiden Frauen trotz ähnlicher Erfahrungen voneinander getrennt hielten. So gelingt ihr ein Roman, der beinahe einhundert Jahre deutscher Geschichte aus weiblicher Perspektive erzählt – und in dem eine Frau Frieden mit ihrer Mutter schließt.
(MJ)
Bernadette Schoog: Marie kommt heim. Kröner Edition Klöpfer, Stuttgart 2022.